Künstliche Intelligenz in Kundenprojekten. Das Adicto KI-Manifest.

Das Jahr 2023 hat uns gezeigt, wie explosionsartig sich die schon lange angekündigte künstliche Intelligenz in allen möglichen Bereichen unseres Alltags ausgebreitet hat. Wir haben uns nachfolgend mit der Frage auseinandergesetzt, von welchem KI-Einsatz unsere Kunden profitieren, wo es eine Spielerei ist und wo allenfalls rechtliche Grenzen liegen.

» Was nützt es dem Kunden?
» Eine erste Einschränkung
» Wer hat das eigentlich programmiert?
» Braucht es noch Experten für das Brand Design?
» Fazit
» 10 Thesen zur KI-Nutzung

Bereits bei der Gründung von Adicto haben wir 10 Werte definiert, die wir als essenziell für unser Tun erachten. Im Laufe der Zeit haben sich hierzu noch weitere Standpunkte ergeben, mit denen wir für uns selbst definieren, was wir tun möchten, und von welchen Projekten wir aus persönlicher oder ethischer Sicht lieber Abstand nehmen. 

Das Thema der «Künstlichen Intelligenz» zwingt uns dazu, auch hier unseren Verstand und unser Bauchgefühl zu befragen, wo wir (aktuell) die Grenzen ziehen. Wir sind nicht der Meinung, dass KI etwas Schlechtes ist – nein, wir haben früh gelernt, auf was diese Systeme basieren, und dass sie oftmals viel «banaler» agieren, als das Resultat uns glauben lässt. Dennoch sehen wir darin auch Fallstricke, die im Alltag leicht übersehen werden und zu ungewollten Auswirkungen führen können. Das war der Grund, ein eigenes KI-Manifest für Adicto zu formulieren.

Was nützt es dem Kunden?

Die einfachste Form der Legitimation für den Einsatz von KI ist der Kundennutzen. Wenn uns eine künstliche Intelligenz helfen kann, ein Projekt-Ziel im Kunden-Interesse schneller, raffinierter oder besser zu erreichen, dann finden wir den Einsatz unbedingt empfehlenswert und gerechtfertigt. Bei der Überarbeitung von Texten helfen uns hier Lösungen zur Optimierung von Rechtschreibung, Grammatik und ggf. sogar Text-Vereinfachung oder auch Plattformen zur Fremdsprachen-Übersetzung, wie sie vermutlich mittlerweile in fast allen Branchen genutzt werden. 

Eine erste Einschränkung

Dennoch machen wir hier bereits die erste Einschränkung. Denn wenn ein Kundennutzen ausschliesslich auf der Einsparung von Geld basiert, weil die eingesetzte KI die Bearbeitungsdauer verkürzt oder einen anderen Dienstleister ersetzt, dann erlauben wir uns ein Veto. Ein solches Thema ist die Fotografie. Bilder sind noch immer starke Werkzeuge, und wir alle wissen, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Aber dafür muss es auch das richtige Bild sein. Natürlich können wir einer KI mit entsprechendem Prompten ein Bild entlocken, das dem gewünschten Resultat entspricht. Aber KI-generierte Bilder, insbesondere fotorealistische Darstellungen, bringen auch Diskussionen wieder hervor, die zu den Glanzzeiten von Photoshop geführt wurden. Mehr noch als aufwendige Photoshop-Retuschen können KI-generierte Bilder nämlich die Wirklichkeit zugunsten einer Wunsch-Wahrnehmung verzerren. Gerade im Kontext mit Social Media eine hochexplosive Kombination, die auch Generationen von Usern trifft, die (noch) nicht in der Lage sind, das Gesehene zu differenzieren. Deshalb stehen wir aktuell auf dem Standpunkt, dass «klassisch» erstellte Aufnahmen mit Menschen durch einen Fotografen einen höheren Kundennutzen – weil auch ethisch verantwortungsvoller – bringen als KI-generierte und vollständig «synthetische» Aufnahmen. 

Aber natürlich kennen auch wir die Fähigkeiten der neuesten Photoshop-Generationen und schätzen diese im Einzelfall. In unserem Gestalter-Leben ist es schon oft vorgekommen, dass eine Fotografie nicht in den Gestaltungsraster passt, ohne dass irgendwo zu viel im Beschnitt verschwindet – oder umgekehrt irgendwo noch ein Zentimeter Bildinformation fehlt. Das Erweitern von Fotos um solche fehlenden flankierenden Bildinformationen war bisher ein mühsames Geschäft. Adobe’s Firefly KI hilft hier wirklich, um diese aufwendigen Retuschen zu beschleunigen. Aus unserer Sicht ein positiver und vertretbarer Kundennutzen. 

Allein diese Betrachtung zeigt aber bereits, wie schmal der Grat ist, auf dem wir in der Abwägung zwischen akzeptablen und abzulehnenden KI-Massnahmen stehen.

Wer hat das eigentlich programmiert?

In der Programmierung greifen KI-Technologien mittlerweile noch viel früher ein als in der beschriebenen Bildgenerierung. Je nach verwendeter Programmier-Umgebung greifen künstliche Intelligenzen bereits während des Tippens ein. Erkennt eine KI, welchen Code man schreiben möchte, vervollständigt sie diesen mittels «predictive coding» und bietet den entsprechenden Code in einer Vorschau zur Übernahme an. Oder auch die direkte Integration von ChatGPT in Code-Editoren ermöglicht es weniger erfahrenen Programmierern, zu einem besseren Ergebnis zu gelangen als ohne diese Technologien. Diese Möglichkeiten empfinden wir eher als eine Art «CNC-Fräse», wie man sie aus dem Metallbau oder Schreinereien kennt. Ein Werkzeug, welches die Qualität eines Produkts verbessert und dabei den Herstellungsprozess optimiert. Wieder im Sinne des Kundennutzens. 

Natürlich stellt sich hier die Frage, WER den Code letztlich programmiert hat. Unsere Erfahrung zeigt, dass es (aktuell) noch immer viel Wissen braucht, um diese Technologien wirklich effizient zu nutzen. Denn auch wenn man es nicht glaubt, können auch künstliche Intelligenzen Fehler machen, Dinge durcheinanderbringen oder Zusammenhänge missinterpretieren. Und genau wie ein Mensch sind sie manchmal nicht fähig, diesen Missstand zu erkennen oder pragmatisch zu beheben. Denn genau wie wir bauen auch KI-Modelle auf dem auf, was ihnen beigebracht wurde, und stellen diese Ausgangssituation nicht in Frage. Hier ist der Mensch derjenige, der nicht nur die Code-Vorschläge überwacht und prüft, sondern vielmehr die eigentlich kreative Kraft, welche die anvisierte Umsetzung überhaupt erst erdenkt, konzipiert und letztlich entwickelt. 

Braucht es noch Experten für’s Brand-Design?

Das Design einer Marke teilt sich seit jeher in unterschiedliche Bereiche auf. Einerseits gibt es Marken, die in den Anfangszeiten eines Unternehmens für wenig Geld oder gar im Selbstversuch entstanden sind. Dann gibt es Marken, die rein mit dem Blick auf eine «gefällige Wirkung» gestaltet wurden, die optisch zwar nicht hässlich, aber auch nicht sonderlich einzigartig sind. Und es gibt Marken, die aufwendig erarbeitet und nach verschiedensten Grundsätzen der Wahrnehmungslehre konstruiert wurden. Wofür man sich letztlich entscheidet, bleibt jedem selbst überlassen. 

Wir sind davon überzeugt, dass eine Marke massgeschneidert sein muss. Sie muss das Produkt oder Unternehmen widerspiegeln, sie muss authentisch sein und sie darf gerne eine visuelle Raffinesse oder sogar eine persönliche Botschaft enthalten. Deswegen sind wir der Meinung, dass eine wirklich gute Marke (aktuell) nicht von einer KI generiert werden kann. Natürlich kann eine KI eine gefällige Logogestaltung liefern, die vielleicht den Auftraggeber oder Verfasser des Prompts selbst überrascht. Aber sie ist – zumindest aktuell – nicht in der Lage, alle Aspekte eines Produkts, Unternehmens und vor allem nicht der Menschen dahinter einfliessen zu lassen. 

Die KI erhält einen rationalen Prompt mit Zielsetzungen, den sie auf Basis ihres erlernten in eine Visualisierung umsetzt. Die Tragweite, Visionen oder Eigenheiten des Markeninhabers bleiben der KI dabei vollkommen unbekannt. Hier überwiegt die Fähigkeit des Menschen, dies zu erkennen und Visualisierungen zu schaffen, die Menschen unbewusst anspricht und mehr vermitteln kann als nur farbige Objekte und Symbole. 

Fazit

So schnell wie sich die KI «manifestiert» hat, ist offensichtlich, dass ihre Entwicklung schneller und weiter voranschreiten wird. In diesem Kontext werden wir uns noch vielen Entscheidungen und Abwägungen stellen müssen, und nahezu alle Dienstleistungsbranchen werden einschneidende Veränderungen erfahren. Sich diesen Technologien zu verwehren, wäre mit Sicherheit der falsche Schritt. Dennoch ist ein bewusstes und aufmerksames Hinterfragen aus unserer Sicht wichtig und richtig, und vor allem in der Agentur-Branche muss es auch zukünftig Anbieter für individuell erdachte Lösungen geben, um wirklich raffinierte und innovative Resultate zu erarbeiten. Wenn dabei digitale Team-Mitglieder zum Einsatz kommen, ist dies im Sinn der Qualitätsoptimierung oder Effizienzsteigerung absolut vertretbar. 

Kein Manifest ohne Thesen

Man kann etwas nicht «Manifest» nennen, und dann keine Thesen dazu aufstellen. Das ist auch hier nicht anders, und so haben auch wir einige Thesen für uns definiert, die unserem aktuellen Empfinden entsprechen:

  1. Die KI-Nutzung ist zulässig, wenn sich daraus ein sinnvoller Kundennutzen ergibt
  2. Wir unterstützen den Einsatz einer KI als Werkzeug zur Optimierung der Qualität
  3. Bei der Nutzung künstlicher Intelligenzen müssen wir rechtliches Konfliktpotenzial einschätzen können
  4. Der Einsatz einer KI muss im Einklang mit unseren ethischen Werten stehen
  5. Wir dürfen uns nicht am Kunden bereichern, indem wir KI-Inhalte zu ungerechtfertigten Tarifen verkaufen
  6. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz für sein Projekt muss dem Kunden mitgeteilt werden
  7. Bildmaterial, das mittels KI bearbeitet/optimiert wurde, wird von uns als solches deklariert
  8. Die vollständige Generierung von essenziellen Gestaltungselementen wie Marke, Portraits und ähnlichem lehnen wir ab
  9. Wir führen den Dialog über KI-Nutzung mit unseren Kunden für Ihre Projekte
  10. Die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz müssen zum Vorteil aller Projektbeteiligten genutzt werden
Christian Woelk, Partner und Designer bei Adicto, Designagentur, Digitalagentur und Internetagentur mit Sitz in St.Gallen

Christian Woelk, Partner, Graphic Designer

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